HISTORISCHES
In der Rubrik HISTORISCHES werden in diesem und in künftigen Infobriefen alte Artikel, aus Bienenzeitungen oder anderen Quellen erscheinen.
Dies, um altes imkerliches Wissen wiederzubeleben, Kurioses aus der Bienenzucht zu erfahren und der alten Sprache dieser Schriften zu frönen.
Der Thüringer Theologe und "Bienenvater" Ferdinand Gerstung nutzte jede freie Minute für naturwissenschaftliche Studien, beobachtete wissbegierig alles, was da kreucht und fleucht, züchtete Vögel und bald auch Bienen. Zusammen mit seinem Freund August Ludwig, ebenfalls Pfarrer und Imker in einer Person, veranstaltete er national bekannte Imkerkurse.
In ihren kostenlosen Imkerlehrgängen, vor allem für Pfarrer und Lehrer, mit Vorträgen im In- und Ausland und durch die Schriftleitung der von Ferdinand Gerstung gegründeten Zeitschrift »Deutsche Bienenzucht in Theorie und Praxis« vermittelten beide einer breiten Öffentlichkeit, wie die Imkerei ohne »Firlefanzereien« mit dem geringsten Aufwand von Material, Zeit, Arbeit und Geld effektiv zu betreiben ist.
Gerstung gründete 1907 das erste deutsche Bienenmuseum in Weimar und den Deutschen Imkerbund.Von seinen zahlreichen Schriften erlebte das Standardwerk »Der Bien und seine Zucht« neun Auflagen.
Gerstung sah das Bienenvolk als einen Organismus, den Bien.
1905 im Oßmannstedter Pfarrgarten: Ferdinand Gerstung (Mitte), August Ludwig (rechts), Nachbarpfarrer und später Bienenprofessor in Jena und Prof. Krpinski aus Mähren (links), im Hintergrund damals übliche Bienenhäuser mit den von Gerstung konstruierten "Lagerbeuten" (Magazinbeuten zur Oberbehandlung).
Auschnitte aus dem Buch "Der Bien und seine Zucht" zur Wärmeökonomie im Bien, das aktuell zum leider kalten Frühjahr passt.
(...) „ Die Wärme ist das Lebenselement des Biens" . Das zeigt uns in jedem Frühjahr der erste Reinigungsausflug der Bienen im Sonnenschein, das zeigt uns auch die auf kühler Erde erstarrende Biene und der ganze Bien, wenn er, im Winter vor der Kälte zurückweichend, Zuflucht sucht bei dem warmen Zentrum, da die Königin und die jüngsten Bienen sitzen. (...) Neuere Untersuchungen haben sogar ergeben, dass der ganze Brutkörper des Biens stets so angelegt wird, dass die Besonnung und Erwärmung durch die Sonne von ihm am besten ausgenutzt wird; der Bien saugt sich gleichsam an die Sonne an. Bedenken wir noch, dass ja auch die Blüten und Pflanzen fast im buchstäblichen Sinne Sonnenkinder sind, und dass die meisten Nährpflanzen nur bei genügender Sonnenwärme honigen, so begreifen wir in immer steigendem Maße die Berechtigung des Wortes: die Wärme ist das Lebenselement des Biens.
(...) Der Wärmebedarf des Blens ist nun in den verschiedenen Entwicklungsperioden ein ganz verschiedener, von 8—10° C steigt derselbe bis auf 37 Grad im Brutnest. Die Tatsachen beweisen, dass selbst im härtesten Winter der Bien so hohe Temperaturen spielend leicht und sehr schnell erzeugen kann, wenn ihm nur der nötige Heizstoff, der Honig, nicht fehlt, auf der anderen Seite versteht er auch durch Ventilation bedrohliche Hitze herabzudrücken, er ist also ein in seiner Art vollkommener Heiztechniker. (...) Die Wärmeerzeugung wird im Bien wesentlich unterstützt durch die Anordnung der Volksglieder gerade in der Zeit, da es gilt, den härtesten Kampf mit der Kälte zu bestehen, im Winter. Da sitzt die Königin mit dem größten Wärmebedürfnis im Zentrum, rings um sie die Wärmeerzeuger ersten Ranges, die jüngsten Bienen, welche ebenfalls als die jüngsten Glieder den regsten Stoffwechsel und daher das „wärmste" Blut haben. Diese jungen Bienen haben aber auch das dichteste Haarkleid, so dass die von ihnen erzeugte Wärme in ihrem Haarpelz sich möglichst lange erhält. Die älteren Glieder haben ein reges Wärmebedürfnis, können aber als alte Bienen nicht mehr genug Wärme selbst erzeugen, darum streben sie alle nach dem Wärmemittelpunkt, und ein jedes abgewinterte Volk zeigt uns, dass sich die älteren Bienen dichtgedrängt nebeneinander noch im Tode an das Wärmezentrum angesaugt haben. Versagt dies Zentrum, weil die Peripheriebienen ihm nicht mehr genügend Heizmaterial zugeführt haben und es darum keine Wärme mehr erzeugen kann, die auch für die Außenglieder des Biens genügt, dann sterben erst die Hautbienen, das sind die äußersten peripherischen Glieder, ab. bis zuletzt auch die Königin, das Herz des Biens, erstarrt! (...)
(...) von der im Innern erzeugten Wärme geht nur die denkbar geringste Menge durch Ausstrahlung verloren, und der Bien selbst sucht triebmäßig bei stärker austretender Kälte nicht nur sein Volumen, sondern damit erst recht auch seine Ausstrahlungsfläche zu verringern, indem er jede leere Zelle seines Wintersitzes besetzt und sich möglichst zur allerkleinsten Kugel formiert. Diese auf das geringste Maß verminderte Kugel stellt nun aber auch wieder den verhältnismäßig kleinsten Luftkörper dar, welcher durch Wärmeerzeugung auf einem bestimmten Wärmegrad zu erhalten ist. Die Verkleinerung der Kugel wirft demnach nach außen und innen, also doppelt günstig.
(...)Schließlich ist die Anordnung der Vorräte, also des Heizmateriales, im Winter und auch sonst so, daß der Bien immer dicht an den gefüllten Zellen sitzt, so daß die äußersten Bienen jederzeit zu der konzentrierten Bienenweide im Stockinnern, wie wir die Honiggürtel um den Bien herum nennen können, gelangen und dem Innern des Biens den nötigen Heizstoff zuführen können.
(...) All diese Umstände wirken zusammen, um eine Wärmeökonomie im Bien zustande zu bringen, über deren vortreffliche Zweckmäßigkeit wir nur staunen können. Der Bien lockert nun seine Kugel unter günstigen äußeren Temperaturverhältnissen so weit, als es diese erlauben, ohne daß er dabei geschädigt wird. So lässt sich der Bien als ein sphärisches Thermometer betrachten, das sich bei Wärme ausdehnt, bei Kälte zusammenzieht. — Sobald Brut im Innern des Biens austritt, stellt der Bien in seinem Zentrum gleichsam eine warme Hohlkugel her, welche ausgefüllt ist mit geputzten und geheizten leeren Zellen, die zur Aufnahme der Eier von seiten der Königin vorbereitet sind. (Der Brutkörper, wiederum solange als möglich kugelförmig, ist das Wärmezentrum, welches durch die Bienen wie durch einen starken Wall umgeben wird, um so die aus demselben kommende Wärme aufzufangen und vor dem Entweichen zu bewahren. Der Bien ist dann der Erde, seiner Urmutter, ähnlich, welche ja auch durch die verhärtete Oberfläche die in ihrem Innern vorhandene „Lebenswärme" vor schneller Ausstrahlung schützt. Dass die Bienen bei sehr hohen Außentemperaturen den Stock verlassen und vor und in dem Flugloch eine energische Ventilation zur Abkühlung des Stockinnern einrichten, haben wir schon angedeutet. So versteht es der Bien, die Wärmeverhältnisse stets so zu regulieren, dass die gerade vorhandenen Wärmebedürfnisse in jeder Hinsicht vollkommen erfüllt werden. (...)
In eine sehr schlimme Lage wird dagegen der Bien versetzt, wenn im zeitigen Frühjahr sein Brutnest sich schon ziemlich ausgedehnt hatte und es treten schlimme Temperaturrückschläge (Eisheilige!) ein. Die Erfahrung lehrt, dass dann die Völker wie gebannt auf der Brut sitzen bleiben und oft neben ... gefüllten Honigzellen verhungern. Die Imker sprechen dann zwar von rührender Liebe und Opferfreudigkeit, welche die Bienen in den Tod getrieben habe; dass die Bienlein lieber sterben, als ihre Kindlein im Stiche lassen. Dem ist aber in Wirklichkeit nicht so! Die Bienen geben in einer so misslichen Lage die äußersten peripherischen Brutgürtel dem Tode preis und konzentrieren sich nach dem Zentrum zu, nicht aber etwa, um dies Zentrum vor Verkühlung zu schützen, sondern, weil dort die größte Wärme herrscht, welche sie wie ein starker Magnet anzieht. Die Bienen lassen sich durch die Wärme sogar verlocken, sich von den gefüllten Honigzellen zu trennen. Das ist dann oft die Ursache, daß die Völker auf der Wärmequelle, der Brut, dicht zusammenhockend Hungers sterben.
(..)Das alles ist ein Beweis, wie absolut abhängig der Bien und die Brut in Ihrer Existenz von der Wärme sind. Wir werden noch sehen, wie diese ausschlaggebende Tatsache bei der Konstruktion der Bienenwohnung Rücksicht zu nehmen ist.....
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